Bürgergeld-Empfänger nicht in Verruf bringen
Vorstandsvorsitzender Robert Sauer spricht von einem "Zerrbild des Bürgergelds", das entstanden sei: "Es bringt die Menschen in Verruf, die auf das unterste Sicherungsnetz angewiesen sind." Nicht selten seien sie durch gescheiterte Bildungswege, Schicksalsschläge oder Krankheit entmutigt. Wer gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiten könne, brauche die Grundsicherung.
Dass das Bürgergeld zum 1. Januar 2024 erhöht wird, ist nach Überzeugung des Sozialverbands dringend erforderlich: "Viele Bürgergeld-Empfänger haben in den letzten Monaten verstärkt unsere Schuldnerberatung kontaktiert, weil sie mit dem Geld nicht mehr zu Rande kommen." Mit der Erhöhung würden finanzielle Belastungen durch Inflation und höhere Energiepreise nachholend ausgeglichen. Dass das verfassungsrechtliche Existenzminimum immer wieder neu berechnet werden müsse, sei gesetzlich vorgeschrieben, so der Caritasverband. Über seine Höhe gebe es keinen Entscheidungsspielraum der Politik. Arbeit mache zudem immer einen Unterschied. "Damit sie sich noch mehr lohnt, halten wir es für richtig, die Belastung von niedrigen Einkommen mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu senken", so Robert Sauer.
Dass Bürgergeld-Empfängern die Miete bezahlt werde, sei kein Freifahrtschein für die Menschen ohne Arbeit, weiß Isabel Nothelfer, Schuldnerberaterin beim Caritasverband Vordere Ortenau. Bezahlt werde im Ortenaukreis für Alleinlebende höchstens eine monatliche Bruttokaltmiete von 452,32 Euro. Nur in den großen Städten Offenburg, Gengenbach, Kehl und Lahr sei mehr möglich: bis zu 502,92 Euro. Vier Personen bekämen höchsten 762,74 Euro pro Monat für Miete (in den größeren Städten 847,44 Euro). Gemeint ist die Kaltmiete mit den Betriebskosten, ohne Heizung und Warmwasser. Oft reiche diese Unterstützung nicht, so die Schuldnerberaterin. Bürgergeld-Empfänger müssten die Miete nach einer Karenzzeit von einem Jahr dann von dem Geld mit bestreiten, das für den täglichen Bedarf und auch für die deutlich gestiegenen Strompreise reichen soll. Das Kindergeld helfe ihnen dabei nicht, denn es wird als Einkommen angerechnet und steht den Haushalten nicht zusätzlich zur Verfügung.
Wer Bürgergeld-Bezieher als mutmaßlich faul betrachte, verkenne ihre Lebenswirklichkeit, so der Verband weiter. Unter den 5,5 Millionen Leistungsberechtigten seien 28 Prozent gar nicht erwerbsfähig, darunter viele Kinder. Unter den Erwerbsfähigen seien 57 Prozent nicht arbeitslos, sondern kümmern sich zum Beispiel um kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, studieren oder besuchen Weiterbildungen. Viele von ihnen gingen trotzdem arbeiten, müssten ihr geringes Einkommen aber mit Bürgergeld aufstocken.
Der Caritasverband mache mit seinen beratenden Diensten auch die Erfahrung, dass viele Menschen mit den komplexen Antragsverfahren überfordert seien und ihre Rechtsansprüche deshalb gar nicht geltend machen. Vorstandsvorsitzender Robert Sauer wünscht sich deshalb im Sinne der Bürger am Existenzminimum einfachere und transparenter gestaltete Sozialleistungen.